Sicherheit 2022. Aussen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitische Meinungsbildung im Trend

Die Militärakademie an der ETH Zürich und das Center for Security Studies der ETH Zürich haben die Studie «Sicherheit 2022» veröffentlicht. Die seit 1999 jährlich erscheinende Studie dient der Ermittlung langfristiger Trends in der aussen-, sicherheits- und verteidigungspolitischen Meinungsbildung in der Schweiz. Aufgrund des Krieges in der Ukraine wurde dieses Jahr im Anschluss eine Nachbefragung durchgeführt, die am 14.07.2022 veröffentlicht wird.

von Rena Uphoff
Si2022

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Daten der Studie «Sicherheit 2022» wurden zwischen dem 4. und 20. Januar 2022 erhoben. Die COVID-19-Pandemie und die damit verbundenen Folgen sowie die Spannungen zwischen dem Nordatlantikpakt (NATO) und Russland aufgrund der Ukraine-Krise könnten einen Einfluss auf das Antwortverhalten gehabt haben. Der Stichprobenfehler der Umfrage beträgt ±2.9 Prozentpunkte bei 1217 befragten stimmberechtigten Personen. Veränderungen zum Vorjahr, welche statistisch signifikant und damit bedeutsam sind, werden explizit in der Publikation erwähnt.

Sicherheitsempfinden und Wahrnehmung der Schweiz und der Welt: Anfang 2022 verharrt das Sicherheitsempfinden auf hohem Niveau. Neun von zehn Schweizerinnen und Schweizern fühlen sich im Allgemeinen sicher. Gegenüber dem Vorjahr ist der Zukunftsoptimismus für die Schweiz gestiegen. Im Gegenzug schätzen Befragte die zukünftige Entwicklung der weltpolitischen Lage gleich ein wie 2021.

Vertrauen in Behörden und Institutionen, Gefühl des Politikversagens: Beim Vertrauen in die Behörden und Institutionen sind keine Veränderungen gegenüber 2021 zu verzeichnen. Damit bestätigt sich das hohe Vertrauen in alle hier erfragten Institutionen. Schweizerinnen und Schweizer vertrauen der Polizei und der Wissenschaft am meisten. Die Gerichte und der Bundesrat platzieren sich an dritter und vierter Stelle. Im Mittelfeld liegen die Schweizer Wirtschaft, das Eidgenössische Parlament sowie die Armee. Die politischen Parteien und die Medien erreichen die geringsten Vertrauenswerte. Entsprechend dem hohen Vertrauen in die Behörden und Institutionen ist auch das Gefühl, dass die Politik in entscheidenden Dingen meistens versage, schwach ausgeprägt.

Autonomie und Öffnungsbereitschaft: Gegenüber dem Vorjahr bleibt die Öffnungsbereitschaft der Schweizerinnen und Schweizer unverändert und gering. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der EU wird deutlich befürwortet. Ein EU-Beitritt wird zwar stärker bejaht, aber insgesamt weiterhin deutlich abgelehnt. Unverändert unterstützt eine Bevölkerungsmehrheit weiche Kooperationsformen ohne institutionelle Bindungen, wie «Gute Dienste», vermehrte Konfliktvermittlung und verstärkte Entwicklungshilfe. Obwohl das Engagement der Schweiz innerhalb der UNO (Sitz im UNO- Sicherheitsrat, Engagement für UNO-Anliegen, Schweizer UNO-Friedenstruppen) signifikant weniger stark unterstützt wird, werden die drei Kooperationsformen mit der UNO weiterhin mehrheitlich befürwortet. Ein Beitritt der Schweiz zur NATO wird von einem Viertel der Bevölkerung gefordert. Die Zustimmung zur Auffassung, dass sich die Schweiz von Bündnissen und Zusammenschlüssen mit anderen Staaten fernhalten sollte, ist gesunken und wird von weniger als einem Drittel der Befragten gefordert. Vier von zehn Befragten unterstützen die militärische Autonomie (sich nur auf die eigene Landesverteidigung verlassen).

Neutralität: Anfang 2022 stimmen Schweizerinnen und Schweizer der Neutralität unverändert stark und beinahe einstimmig zu. Der differenziellen Neutralität stimmt eine knappe Mehrheit zu und die Solidaritäts- und Identitätsfunktionen werden unverändert von einer deutlichen Mehrheit bejaht. Die Zustimmung, dass die Neutralität heute nicht mehr glaubhaft geschützt werden könne, ist zwar gestiegen, wird aber nur von einer Minderheit befürwortet. Für die Befragten ist und bleibt die Neutralität ein Wert an sich, welcher aus Sicht der Stimmbevölkerung deutlich mehr Vor- als Nachteile mit sich bringt.

Freiheit versus Sicherheit: Im Allgemeinen fällt im Vergleich zu 2018 das aktuelle Spannungsverhältnis zwischen den gesellschaftlichen Grundwerten Freiheit und Sicherheit zu Gunsten der Sicherheit aus. Dabei ist der Anteil an Personen, welche der Freiheit den Vorzug gegenüber der Sicherheit geben, gesunken. Diese Auffassung wird nun nur noch von einer Minderheit geteilt. Die Zustimmung zur Aussage, dass der Staat in der heutigen Zeit immer mehr Aufgaben übernehmen muss, ist gegenüber 2008 gesunken und wird von 50% der Befragten geteilt. Ebenfalls gesunken ist die Zustimmung, dass wir «in der Schweiz bald soweit sind, dass sich der Staat überall einmischt, alles reglementiert und die Freiheit des einzelnen verloren geht». Während 2007 fast die Hälfte der Befragten dieser Aussage zustimmte, vertritt 2022 ein Drittel der Schweizerinnen und Schweizer diesen Standpunkt.

Einstellungen gegenüber der Schweizer Armee: Eine klare Mehrheit der Bevölkerung befürwortet 2022 die Notwendigkeit der Armee. Die Zustimmung, dass die Schweiz eine «sehr gut ausgebildete» und «vollständig ausgerüstete» Armee unterhalten sollte, hat deutlich zugenommen und erreicht jeweils einen Höchstwert. Die Stimmbevölkerung favorisiert eine Milizarmee gegenüber einer Berufsarmee. Die Zufriedenheit mit der Leistung der Armee ist gestiegen und überdurchschnittlich hoch. Die Abschaffung der Wehrpflicht ist ein Anliegen, das nur eine Minderheit teilt. Die Verteidigungsausgaben werden Anfang 2022 von einer relativen Mehrheit als «gerade richtig» betrachtet und das Militär wird als gesellschaftlich zentral eingestuft.

Obligatorischer Orientierungstag für Frauen: 2022 zeigt sich eine bereits 2018 festgestellte indifferente Haltung bei Schweizerinnen und Schweizern bezüglich eines Obligatoriums eines Orientierungstages für Frauen. Im Vergleich zu 2018 unterstützt die Schweizer Bevölkerung einen obligatorischen Orientierungstag für Schweizer Frauen weniger stark – er wird aber tendenziell weiterhin von einer Mehrheit befürwortet. Gleichzeitig möchte aber auch eine Mehrheit den Orientierungstag für Frauen nach wie vor auf freiwilliger Basis belassen.

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