Sicherheit 2024
Die Militärakademie an der ETH Zürich und das Center for Security Studies der ETH Zürich haben die Studie «Sicherheit 2024» veröffentlicht. Die seit 1999 jährlich erscheinende Studie dient der Ermittlung langfristiger Trends in der aussen-, sicherheits- und verteidigungspolitischen Meinungsbildung in der Schweiz.
![Das Bild zeigt die Studie «Sicherheit 2024».](/ueber-uns/css-news/2024/06/sicherheit-2024/_jcr_content/articleLeadImage/image.imageformat.carousel.2048759791.jpg)
Kurzzusammenfassung
In dieser Kurzusammenfassung werden die Resultate der im Januar 2024 im Rahmen der Studie «Sicherheit 2024» erhobenen Fragen präsentiert und den Resultaten der Studie «Sicherheit 2023» (Januar 2023) gegenübergestellt. Teilweise wird auch Bezug genommen auf eine Zusatzbefragung im Juni 2022 und auf die Erhebung im Januar 2022.
Zukunftserwartung und allgemeine Sicherheit:
Stimmberechtigte bewerten im Januar 2024 die zukünftige Entwicklung der weltpolitischen Lage signifikant weniger optimistisch als noch im Januar 2023. 18% (–6 Prozentpunkte; Pp) sehen die Zukunft der weltpolitischen Lage optimistisch, was dem tiefsten Wert seit Messbeginn (2015) entspricht. Die Reduktion des Optimismus dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit auf den anhaltenden Krieg in der Ukraine und den Ausbruch des Israel-Gaza-Kriegs am 7.Oktober 2023 zurückgeführt werden. Die Zukunft der Schweiz wird dagegen von 79% als optimistisch eingeschätzt und ist seit Juni 2022 statistisch unverändert. Trotz der Kriege ist das allgemeine Sicherheitsempfinden in der Bevölkerung hoch. Im Januar 2024 fühlen sich mit 92% etwas weniger Befragte sicher als noch im Januar 2023 (–2 Pp).
Vertrauen in Institutionen:
Gegenüber dem Vorjahr erweist sich das Vertrauen in die Mehrheit der erfragten Institutionen als stabil und das Gesamtvertrauen befindet sich auf einem überdurchschnittlich hohen Niveau. Sowohl der Bundesrat als auch das Parlament erreichten in den Jahren seit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie vergleichsweise hohe Vertrauenswerte. Dieses VertrauensNiveau wird 2024 nicht mehr erreicht und das Vertrauen in den Bundesrat sowie in das Eidgenössische Parlament ist statistisch signifikant gesunken. Trotzdem wird sowohl dem Bundesrat als auch dem Eidgenössischen Parlament im mehrjährigen Vergleich weiterhin überdurchschnittlich stark vertraut.
Aussen- und Sicherheitspolitik:
Die Meinung der Schweizer Stimmbevölkerung zu verschiedenen aussen- und sicherheitspolitischen Themen erweist sich grösstenteils als stabil. Insbesondere unterstützt weiterhin eine klare Mehrheit eine verstärkte wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der EU (76%), das Engagement der Schweiz in der UNO (aktiv für UNO-Anliegen einsetzen: 60%; Schweizer UNOFriedenstruppen: 59%) und vermehrte Konfliktvermittlung durch die Schweiz (76%). Nachdem sich im letzten Jahr 55% der Befragten für eine Annäherung an die NATO aussprachen, sind es im Januar 2024 52%. Zum ersten Mal wurde die Einstellung zur Teilnahme an der «European Skyshield Initiative» der Schweiz erfragt. Auch diese wird von einer Mehrheit unterstützt (62%). Die Beitritte zur EU (17%) und zur NATO (30%) finden wie in allen Befragungen seit der Jahrtausendwende keine Mehrheit. Im Gegensatz zu diesen stabilen Werten ist die Zustimmung für mehr Entwicklungshilfe signifikant zurückgegangen (–7 Pp), wird aber trotzdem von einer Mehrheit von 58% unterstützt. Auch bei der Meinung zur militärischen Autonomie gibt es Unterschiede zum letzten Jahr. Mit 39% (+6 Pp) finden signifikant mehr Befragte, dass sich die Schweiz nur auf ihre eigene Landesverteidigung verlassen soll. Dieser Wert liegt aber weiterhin unter dem Zehnjahresschnitt von 43%. Als Fokusthema wurde 2024 die Meinung zu sieben konkreten Formen der Kooperation mit der NATO erfragt. Formen der politischen und institutionellen Kooperation mit der NATO stossen auf breite Zustimmung, solange sie auf der Ebene von Gesprächen und Planungen bleiben. Auch einer technologischen Zusammenarbeit mit der NATO steht aus Sicht einer Mehrheit der Bevölkerung nichts entgegen. Geteilter Meinung ist die Schweizer Bevölkerung gegenüber operativen Formen der Kooperation mit der NATO.
Neutralität:
Gegenüber Januar 2022 (–6 Pp) wird das Neutralitätsprinzip zwar weniger stark befürwortet, erhält aber mit 91% weiterhin sehr hohen Zuspruch und der Wert ist identisch zum Januar 2023. Dagegen ist die «differenzielle» Neutralität – bei politischen Konflikten klar Stellung beziehen, bei militärischen Konflikten aber neutral bleiben – signifikant gesunken (51%, –6 Pp). Das Bedürfnis, auch eine klare Stellungnahme bei militärischen Konflikten im Ausland abzugeben, ist zwar von 18% (im Januar 2021) auf 26% im Januar 2024 gestiegen – bleibt aber im Vorjahresvergleich unverändert. Nach wie vor unterstützt eine Bevölkerungsmehrheit die Solidaritäts- (90%, –2 Pp) und Identitätsfunktion (79%, –1 Pp) der Neutralität. Während die Zustimmung zur sicherheitspolitischen Funktion der Neutralität innerhalb eines Jahres deutlich von 55% auf 61% gestiegen ist, wird die Schutzwirkung eines militärischen Bündnisses in Europa gegenüber der Beibehaltung der Neutralität unverändert von einem guten Drittel präferiert.
Sanktionen gegenüber Russland:
Im Vergleich zum Juni 2022 und Januar 2023 haben sich die Einstellungen bezüglich der Schweizer Sanktionen gegenüber Russland signifikant verändert. Obschon immer noch eine Mehrheit von der Richtigkeit der Sanktionen (69%, –6 Pp) und der Vereinbarkeit der Sanktionen mit der Neutralität (64%, –6 Pp) überzeugt ist, wird 2024 eine signifikant tiefere Zustimmung gemessen. Obwohl mit 41% (+7 Pp) die Ansicht, dass die Schweiz ihre «Guten Dienste» infolge der Sanktionen nicht mehr anbieten kann, nach wie vor die Meinung einer Minderheit ist, ist die Zustimmung signifikant gestiegen.
Verteidigungspolitik:
Der Wunsch, dass die Einsatzfähigkeit der Schweizer Armee gestärkt werden soll, ist im Januar 2024 noch klarer in der Stimmbevölkerung präsent als noch im Jahr zuvor. So wünschen sich mehr Stimmberechtigte eine «sehr gut ausgebildete» (92%, +3 Pp) sowie eine «vollständig ausgerüstete» Armee (79%, +3 Pp). Auch erachtet beinahe die Hälfte der Befragten (48%, +5 Pp) die Armee als eine zentrale Institution in der Schweizer Gesellschaft. Gleichzeitig sprechen sich weniger Schweizerinnen und Schweizer für die Abschaffung der Wehrpflicht aus (31%, –4 Pp). Bemerkenswert ist vor allem der hohe Anteil an Personen, welche die Ausgaben für die Landesverteidigung als zu gering einschätzen (20%, +6 Pp). Dass jede fünfte Person die Armeeausgaben als zu gering einstuft, ist in der Längsschnittanalyse seit 1986 ein historisch hoher Wert. Eine relative Mehrheit von 45% empfindet die Verteidigungsausgaben als gerade richtig. Erstmals wurden die Stimmberechtigten gefragt, inwiefern das Bewusstsein für die Landesverteidigung in der Gesellschaft gestärkt werden soll, und ob Jugendliche in der Schule verstärkt über die Aufgaben der Armee informiert werden sollen. Beiden Aussagen stimmt eine deutliche Mehrheit von 73% der Befragten zu.
Wichtigkeit ausgewählter Armeeaufgaben:
Wie schätzen die Befragten die momentane Wichtigkeit und zukünftige Bedeutung von ausgewählten Aufgaben der Armee ein? Die grösste Wichtigkeit für die Armee sehen Schweizerinnen und Schweizer in der Katastrophenhilfe in der Schweiz sowie in der Landesverteidigung im Falle eines Krieges. Diese zwei Aufgaben erhielten bereits in früheren Messungen klar die höchste Zustimmung. Auch die Verhinderung von Terrorangriffen, die Abwehr von Cyber-Attacken, sowie die Wahrung der Lufthoheit werden als besonders wichtige Armeeaufgaben betrachtet. Verhältnismässig am geringsten wird die Wichtigkeit von Friedenstruppen-Einsätzen im Ausland sowie von Aufgaben im Rahmen von Sport- und Freizeitanlässen eingeschätzt. Hervorzuheben ist jedoch, dass insgesamt die Wichtigkeit von Armeeaufgaben aus Sicht der Stimmbevölkerung im Vergleich zur Zeit vor gut 20 Jahren zugenommen hat. Oder anders ausgedrückt: Schweizerinnen und Schweizer gehen davon aus, dass sich die Armee um mehr Aufgaben kümmern muss als in früheren Jahren. Laut einer klaren Mehrheit von 81% wird die Abwehr von Cyber-Attacken durch die Armee in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Das Verhindern von Terrorattacken sowie die Unterstützung der Grenzwache bei grossen Flüchtlingsströmen sehen jeweils 63% zukünftig als bedeutsamer für die Armee. 62% gehen davon aus, dass sich die Armee in Zukunft vermehrt mit der Katastrophenhilfe in der Schweiz beschäftigen wird. Darüber, ob die Landesverteidigung im Kriegsfall an Bedeutung gewinnen wird, zeigt sich die Stimmbevölkerung eher gespalten. 47% sehen darin eine gleichbleibende Bedeutung, während 44% diese Aufgabe in Zukunft als bedeutender bewerten.
Künstliche Intelligenz (KI) und Schweizer Armee:
In der Studie «Sicherheit 2024» wurde die Bevölkerung erstmals zu ihrer Meinung zu KI im militärischen Einsatz befragt. Klare Mehrheiten sind der Meinung, dass deren Entwicklung gefördert werden sollte (63%) und dass der militärische Einsatz von KI durch die Armee die Sicherheit der Schweiz erhöht (61%). 45% der Stimmbevölkerung sind der Ansicht, dass der militärische Einsatz von KI durch die Armee ein grosses Risiko für die Schweiz darstellt. 28% der Befragten vertreten die Meinung, dass die Entwicklung von KI für den militärischen Kontext grundsätzlich falsch ist.