ETH Arbeitstagung: Dschihadistische Netzwerke in der Schweiz. Regionale Cluster und transnationale Links

Am 25. Mai 2018 veranstaltete das Center for Security Studies der ETH Zürich gemeinsam mit dem Österreichischen Institut für Internationale Politik (oiip) und der Universität Luzern eine Tagung zum Thema «Dschihadischtische Netzwerke in der Schweiz. Regionale Cluster und transnationale Links». Experten aus Wissenschaft und  Politik diskutierten die Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Verbindungen von dschihadistischen Netzwerken in der Schweiz, Österreich, Deutschland, Frankreich, Belgien, Italien und auf dem Balkan.

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Vier Jahre nach der Ausrufung des Kalifats in Syrien und Irak ist der «Islamische Staat» (IS) heute militärisch weitestgehend besiegt. Das Tempo seiner terroristischen Operationen wie auch seine Medienaktivitäten haben deutlich abgenommen. Die Befürchtung einiger Experten, der IS würde sich in ein «virtuelles Kalifat» zurückziehen, hat sich bis jetzt nicht bewahrheitet.

Doch obgleich der dschihadistische Traum eines extremistischen Utopia vorerst geplatzt zu sein scheint und der IS an Ausstrahlungskraft verlor, geht weiterhin eine erhebliche Gefahr von radikalisierten Einzeltätern und Kleingruppen aus. Denn die persönlichen Netzwerke, die während der Konflikte in Syrien und Irak geknüpft wurden, existieren weiterhin. Der externe Seite dritte TETRA-Bericht (2017) der Schweiz geht daher auch davon aus, dass von Einzeltätern oder Kleingruppen ausgeführte Anschläge mit geringem logistischem Aufwand die grösste Herausforderung für die Schweiz darstellen.

In diesem Zusammenhang stellt auch der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) in seinem externe Seite aktuellen Bericht (2018) fest, dass nebst dem Konsum dschihadistischer Inhalte im Internet vor allem persönliche Netzwerke und Kontakte eine zentrale Rolle bei der Radikalisierung spielen.  Diese Kontakte finden verstärkt ausserhalb von Institutionen wie Moscheen statt. Charismatische, radikalisierte Personen bilden oftmals das Zentrum dieser grenzüberschreitenden Netzwerke. Sie versuchen Personen im eigenen Umfeld für den Dschihad zu gewinnen.

Auch aus Sicht des CSS Think Tank schien es daher angezeigt, sich zu dschihadistischen Netzwerken in der Schweiz und deren transnationalen Verknüpfungen mit Experten aus dem In- und Ausland auszutauschen.  Dabei konnte das CSS auf fundierte, über mehrere Jahre aufgebaute Expertise zurückgreifen. Bereits 2013 publizierte das CSS eine viel beachtete Studie zu «Jihadist Radicalization in Switzerland». Es folgten Analysen zum Thema Foreign Fighters (Bulletin 2014) zu Dschihadreisenden und der Sicherheit der Schweiz (CSS Analyse Nr. 199), zum schwierigen Umgang mit Dschihad-Rückkehrern (CSS Analyse Nr. 210) sowie zum Engagement Muslimischer Organisationen in der Schweiz gegen gewaltbereiten Extremismus (Bulletin 2017).

Diskussionen an der Konferenz

Auffallend in der Schweiz ist vor allem die Existenz lokaler Cluster entlang von bereits bestehenden sozialen, ethnischen und sprachlichen Gemeinsamkeiten und Bindungen. Während zum Beispiel die Netzwerke in der deutschsprachigen Schweiz, in der Romandie und im Tessin untereinander selbst wenig vernetzt zu sein scheinen, bestehen Verbindungen nach Deutschland, Frankreich und Belgien sowie zu einem deutlich geringeren Ausmass nach Italien. Darüber hinaus sind vor allem bei radikalisierten Personen mit bosnischer oder kosovarischer Abstammung in der Schweiz oftmals ausgeprägte Kontakte zu Gruppierungen und Personen auf dem Balkan festzustellen.

Um dieser Internationalisierung des Schweizer Dschihad-Problems gerecht zu werden, versammelte die Tagung Experten aus der Schweiz, Österreich, Deutschland, Frankreich, Belgien, Italien und Bosnien-Herzegowina. In vier Panels widmeten sich die Teilnehmenden den jeweiligen sprachlich-ethnischen Netzwerken und ihren internationalen Kontakten. Während die Ursachen und Motive für Radikalisierung und Gewalt weiterhin als heterogen und komplex gelten, bestand Einigkeit darüber, dass von persönlichen Netzwerken und ihren internationalen Verknüpfungen ein nicht zu unterschätzendes Gefahrenpotential ausgeht.

Die Schweiz hat mit ihrer externe Seite Strategie zur Terrorismusbekämpfung (2015) und der Task Force TETRA gute Vorarbeit geleistet. Sie ist ausserdem im Unterschied zu anderen Ländern weniger stark im Fokus des dschihadistischen Terrorismus. Nichtsdestotrotz wurde während der Tagung das erhebliche Bedrohungspotenzial bestimmter Netzwerke in der Schweiz deutlich. Zum besseren Verständnis dieser Netzwerke ist eine verstärkte Zusammenarbeit der nationalen Behörden in Europa unerlässlich.

Zudem wird auch die Schweiz weiterhin von den langfristigen Folgen des syrischen Bürgerkrieges betroffen sein. Niemand weiss, welche Organisationen und Netzwerke in Zukunft aus den in Syrien und Irak geknüpften dschihadistischen Kontakten hervorgehen. Bereits die Terroranschläge am 11. September 2001 zeigen eindrücklich, dass von der Netzwerkbildung im Zuge des Afghanistankonfliktes in den 1980 Jahren bis zu einem Anschlag Jahrzehnte vergehen können.  Auffallend ist zudem, dass vermehrt auch Frauen und Kinder Teil des Problems sind. Dies stellt die mit der Prävention von Radikalisierung und Extremismus betrauten Behörden sowie die Zivilgesellschaft vor besonders hohe Anforderungen. Die von dschihadistischen Netzwerken und Dschihad-Rückkehrern ausgehende Bedrohung wird daher auch in Zukunft ganz oben auf der sicherheitspolitischen Agenda der Schweiz zu finden sein.

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