Mediation als Staatsaufgabe in Türkiye
Türkiyes Geografie und Geschichte ermöglichen es Ankara sich als «in-between state» zu positionieren. Einerseits eröffnet diese Strategie Ankara die Möglichkeit, eine Vermittlerrolle in internationalen Konflikten einzunehmen, andererseits sorgt sie für Ambivalenz und Unvorhersehbarkeit.
Im April 2024 externe Seite erklärte der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski, dass Türkiye zu den Ländern zählt, die «eine Vermittlungsmission durchführen können, nicht jedoch die Vermittlung.» Wenngleich er Türkiyes Bemühungen und Bereitschaft, zu vermitteln anerkannte, stellte er Ankaras «andere Interessen und starke Beziehungen zu Russland» fest. Selenskis Aussagen unterstrichen sowohl die ehrgeizigen Vermittlungsbemühungen Türkiyes als auch die Grenzen der Rolle des Landes als Vermittler im Ukraine-Konflikt und darüber hinaus.
Während des letzten Jahrzehnts hat die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan eine Art unternehmerische Denkweise der Politik institutionalisiert, um zu ermöglichen, Mediationsmandate als Teil von weiter gefassten aussenpolitischen Ambitionen und Prioritäten einzusetzen. Mit diesem strategischen Ansatz wird versucht, die politische Positionierung Türkiyes als «in-between state» in der internationalen Politik dadurch zu nutzen, dass man die externe Seite einzigartige Geografie und Geschichte des Landes hervorhebt. Indem sie auf diesem Narrativ aufbauen, präsentieren die Entscheidungsträger der türkischen Aussenpolitik das Land als «verlässlichen» Vermittler, der eine realistische Alternative zum Westen darstellt. Dieses Bild des Exzeptionalismus unterstreicht die Vermittlungsbemühungen Türkiyes in der internationalen Politik. Indem es den Diskurs des Exzeptionalismus mit humanitärer Rhetorik verbindet, formt Ankara eine Vermittlungsstrategie, die sich von der Ermöglichung hin zu direktiveren Ansätzen entwickelt, die eine aktive Rolle mit sich bringen.
Zwar wurde schon viel über den externe Seite Balanceakt Türkiyes zwischen dem Westen und Russland geschrieben, doch diese Analyse betrachtet speziell die Vermittlerrolle Türkiyes vor dem Hintergrund seiner Aussenpolitik. Sie untersucht, wie Türkiye – als NATO-Mitglied – die Rolle des Vermittlers in internationalen Konflikten eingenommen hat und wodurch sich Ankaras Vermittlungsanstrengungen abheben. Die Analyse beginnt mit einem kurzen Überblick über die Entwicklung der türkischen Aussenpolitik in den frühen 2000er-Jahren. Anschliessend setzt sie die Vermittlungsbemühungen Türkiyes in den Kontext seiner umfassenderen aussenpolitischen Ziele. Danach beschäftigt sie sich mit dem Engagement Türkiyes in Somalia sowie mit den diplomatischen Anstrengungen des Landes infolge der russischen Vollinvasion in der Ukraine, um den Verlauf, die Bedingungen und die Merkmale der türkischen Vermittlungsbemühungen zu verstehen.