Die Rüstungskontrolle ist tot. Sie lebe hoch!

Die nukleare Rüstungskontrolle befindet sich in einer existenziellen Krise. Dem INF-Vertrag steht bald das Ende bevor und auch die Zukunft von «New START» ist ungewiss. Doch wie müsste nukleare Rüstungskontrolle grundsätzlich konzipiert werden, um heute wirksam zu sein? Oliver Thränert argumentiert in diesem Beitrag, dass zukünftige Verhandlungen multilateral angelegt sein sollten und auch andere, strategisch wichtige Technologien umfassen müssten.

von Christoph Elhardt
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Schon bald könnte das Totenglöckchen der nuklearen Rüstungskontrolle läuten. Am 2. August steht wohl das Ableben des INF-Vertrages an. Es ist das einzige weitreichende Abrüstungsabkommen zwischen Washington und Moskau, das bodengestützte Mittelstreckenwaffen im Reichweitenband zwischen 500 und 5.500 Km verbietet. Damit wäre das „New START“-Abkommen der einzige noch verbleibende Rüstungskontrollvertrag beider Seiten. Dieser Vertrag zur Begrenzung der stationierten strategischen Kernwaffen läuft am 5. Februar 2021 aus. Die Vertragspartner könnten sich auf eine Verlängerungsperiode einigen, die bis zu fünf Jahre umfassen kann. Dies wäre immerhin ein Pflaster auf die klaffende Wunde einer an Dynamik gewinnenden nuklearen Aufrüstung. Doch wollte man einen wirklich wirksamen Verband anlegen, müsste man die gesamte nukleare Rüstungskontrolle neu konzipieren. Zwei Gründe sind dafür ausschlaggebend:

Erstens muss nukleare Rüstungskontrolle künftig multilateral statt nur bilateral angelegt werden. Anders als noch während des Kalten Krieges ist Europa nicht mehr zentral für die gegenwärtigen Weltkonflikte. Asien hat massiv an Bedeutung zugelegt. Dies gilt auch in nuklearer Hinsicht. Auch wenn China, Indien und Pakistan zahlenmässig mit ihren Atomwaffenarsenalen noch weit hinter den USA und Russland hinterherhinken – sie holen langsam aber kontinuierlich auf und können daher nicht mehr ignoriert werden. Insofern liegt die Trump-Administration nicht falsch, wenn sie darüber nachdenkt, künftige Abkommen unter Einschluss zumindest Chinas anzustreben. Aus Washingtoner Perspektive ist dies nahezu zwingend, ist Peking doch die Herausforderung des 21. Jahrhunderts und nicht Moskau.

Zweitens wird sich künftige Rüstungskontrolle nicht mehr allein auf Nuklearwaffen konzentrieren können. Andere Technologien nehmen mehr und mehr Einfluss auf die strategische Stabilität. Dazu gehören die Raketenabwehr; weitreichende, konventionell bewaffnete Präzisionswaffen; U-Boot-Abwehr; Mittel zum Aufspüren und Verfolgen mobiler Interkontinentalraketen; natürlich die gesamten, mit dem Thema Cyber verknüpften Herausforderungen; und auch der Weltraum spielt eine immer grössere Rolle.

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