Strategic Trends 2020: China, die Uneinigkeit des Westen und die Aussicht auf einen ungezügelten geopolitischen Wettbewerb
Strategic Trends 2020 bietet eine jährliche Analyse wichtiger weltpolitischer Entwicklungen. In vier Artikeln beschäftigen sich unsere Autoren mit den nationalen Determinanten der Rivalität zwischen den USA und China und deren Auswirkungen auf die internationale Politik, mit dem Gespenst eines Grossmachtkrieges zwischen China und den USA, mit China als Stresstest für die Kohärenz Europas und mit Chinas Politik gegenüber Eurasien im Rahmen der Belt and Road Initiative.
Im Jahr 2020 befindet sich die Welt im Frühstadium einer sich kaskadenartig ausbreitenden Krise, die durch die anhaltende Coronavirus-Pandemie noch verschärft wird und die das Potenzial hat, die bestehende internationale Ordnung in Trümmern zu hinterlassen. Die konkreten Folgen dieser Krise lassen sich nach wie vor nicht mit Sicherheit vorhersagen. Ein hervorstechender Aspekt des Problems ist jedoch die Möglichkeit eines regionalen Machtwechsels in Ostasien, der sowohl auf regionaler als auch auf globaler Ebene weitreichende Auswirkungen haben könnte. Sollte es zu einer solchen Veränderung kommen, würde er zu einer zumindest teilweisen Verdrängung amerikanischer Macht und zur (Wieder-)Herstellung einer Art chinesischer Vormachtstellung in dieser Region führen. In diesem Band untersuchen wir diese bedeutsamen Entwicklungen aus verschiedenen Blickwinkeln, mit einem doppelten Schwerpunkt auf Geoökonomie und internationaler Sicherheit.
Kapitel 1: China, die USA und die globale Ordnung
Von Jack Thompson
Die amerikanisch-chinesische Rivalität wird zum wichtigsten Motor globaler Angelegenheiten. Obwohl der langfristige Verlauf der Beziehung ungewiss ist, sind bereits einige zentrale Faktoren erkennbar: verhängnisvolle Variationen des Nationalismus auf beiden Seiten, eine Aussenpolitik, die zunehmend von innenpolitischen Problemen geprägt ist und eine wachsende Tendenz, die Entwicklung aussenpolitischer Strategien von den Erwartungen des künftigen Wettbewerbs leiten zu lassen. Wenn die gegenwärtigen Trends anhalten, wird die Dynamik der Beziehungen zwischen den USA und China die auf Regeln basierende internationale Ordnung weiter gefährden. Dies wiederum hat Folgen weit über Ostasien hinaus.
Kapitel 2: Die Beziehungen zwischen den USA und China und das Gespenst eines Grossmachtkrieges
Von Michael Haas und Niklas Masuhr
Mit der Verschärfung der strategischen Rivalität zwischen den USA und China werden militarisierte Krisen immer wahrscheinlicher, und ein grösserer militärischer Konflikt ist nicht mehr so weit entfernt, wie es einst schien. Die weitreichende Modernisierung seiner Streitkräfte hat China bereits dazu veranlasst, eine optimistischere Sichtweise darüber einzunehmen, wie sich ein solcher Konflikt entwickeln könnte. Unterdessen bemühen sich die Vereinigten Staaten um eine kohärente Antwort auf einen möglichen Versuch Chinas, die regionale Ordnung mit Gewalt umzugestalten. Obwohl ein Krieg nach wie vor unwahrscheinlich ist, ist es heute dringender als je zuvor, sich dieser Möglichkeit bewusst zu werden.
Kapitel 3: China als Stresstest für die Kohärenz Europas
Von Henrik Larsen und Linda Maduz
Chinas wachsender Einfluss in Europa hat das Potenzial, neue geo-ökonomische Gräben zu schaffen. Der Kauf kritischer Infrastrukturen und die erfolgreiche Förderung nationaler High-Tech-Giganten haben langfristige Auswirkungen auf die Sicherheit Europas und die Weltordnung. Wie immer besteht die erste und mühsamste Herausforderung für Europa darin, einheitlich aufzutreten. Um die Kohärenz auf dem gesamten Kontinent zu fördern, wird die EU eine aktivistische Industriepolitik umsetzen müssen, um ihren eigenen Wettbewerbsvorteil im Hochtechnologiebereich zu stärken. Zudem wird sie alle notwendigen Massnahmen ergreifen müssen, um eine wachsende wirtschaftliche Abhängigkeit von China zu verhindern.
Kapitel 4: Die Belt and Road Initiative: China wendet sich nach Eurasien
Von Benno Zogg
Nirgendwo ist Chinas "Belt and Road Initiative" (BRI) offensichtlicher als in Eurasien, das sich von Zentralasien bis nach Osteuropa erstreckt. China verändert diesen Raum durch physische Infrastruktur, aber auch durch politisches und gesellschaftliches Engagement. Chinas wirtschaftliches Gewicht und die landgestützte Komponente der BRI, der "Belt", haben bereits eine beträchtliche Hebelwirkung entfaltet und könnten Peking erheblichen Spielraum bei der Gestaltung der Zukunft der Region geben. Aber nur eine Bewertung von Chinas Verhalten vor Ort wird dazu beitragen, seine wahren Absichten und die Auswirkungen der von ihm herbeigeführten Transformation zu enthüllen.