Zielkonflikte der Bundeswehrplanung
Die deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik steht vor grossen Herausforderungen. Die Streitkräfte sehen sich mit schwierigen Personal- und Finanzfragen konfrontiert. Hinzu kommen Zielkonflikte zwischen politischen und militärischen Prioritäten, schreiben Alexander Feltes und Niklas Masuhr in dieser Ausgabe der CSS Analysen zur Sicherheitspolitik.
Bundeskanzler Olaf Scholz rief unmittelbar nach der russischen Invasion der Ukraine im Februar 2022 eine «Zeitenwende» in der deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik aus. Dieser inzwischen viel zitierte Begriff versprach vor allem eine Aufwertung der Bundeswehr. Diese Erwartung scheint sich nur teilweise zu erfüllen. Auf der einen Seite wurde ein hundert Milliarden Euro starkes Sondervermögen eingerichtet, die Reform von Beschaffungsprozessen angestossen und die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr finanziell priorisiert. Auf der anderen Seite zeichnet sich jedoch ab, dass der Wehretat langfristig nicht im versprochenen Ausmass angehoben und die aktuellen finanziellen Infusionen ab dem Jahr 2027 bereits abklingen werden.
«Neben der Unterfinanzierung der Streitkräfte stellt auch das militärische Beschaffungswesen an sich eine grosse Herausforderung dar.»Alexander Feltes und Niklas Masuhr
Streitkräfteplanung bedeutet immer ein Abwägen von Zielkonflikten. So muss etwa die Balance zwischen Einsatzbereitschaft (Ausbildung, Munition, Ersatzteile, Training) einerseits und Modernisierung (Einführung neuer Waffensysteme und Technologien) andererseits bestimmt werden. Insbesondere im deutschen Heer scheint derzeit Einsatzbereitschaft priorisiert zu werden. Ferner hat die Bundesregierung eine Reihe von Leuchtturmprojekten initiiert, die auch politisch gedacht sind. Zugleich können diese Vorhaben jedoch längerfristig Ressourcen binden und somit den (Wieder-) Aufwuchs der Bundeswehr in der Breite gefährden. Die Entscheidung, künftig eine Bundeswehrbrigade permanent in Litauen zu stationieren, ist ein entsprechendes Beispiel.
Auch in Beschaffungsfragen sind Zielkonflikte unvermeidbar. So müssen die Prioritäten der heimischen Rüstungsindustrie ebenso berücksichtigt werden, wie die militärische Bedarfslage und die finanziellen Möglichkeiten. Zudem gilt es, Beziehungen zu europäischen und transatlantischen Partnern einzubeziehen und gegebenenfalls abzuwägen. Vor der russischen Invasion der Ukraine 2022 wurden militärische Parameter wenig berücksichtigt. Die in der Zeitenwende ausgerufene Umkehr ist nun mit politischen Kosten verbunden.
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