Bulletin 2022 zur schweizerischen Sicherheitspolitik
Das Bulletin 2022 zur schweizerischen Sicherheitspolitik wird eröffnet durch ein Interview mit Bundespräsident Ignazio Cassis. Ausserdem beschäftigt es sich mit militärischer Drohnennutzung, der sicherheits- und verteidigungspolitischen Zusammenarbeit der Schweiz im Schatten des Ukraine-Krieges, Prioritäten der Schweizer UNO-Sicherheitsrats-Mitgliedschaft, den Querverbindungen zwischen Friedensmediation und Klimaschutz, sowie der Rolle von Technologie bei der Beobachtung von Waffenstillständen.
Interview
Im Interview für den Bulletin 2022 spricht Bundespräsident Ignazio Cassis über die veränderte europäische Sicherheitsarchitektur in einer zunehmend multipolaren Welt, eine verstärkte sicherheitspolitische Kooperation der Schweiz mit der EU und der NATO sowie die Rolle der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) und der UNO. Während die OSZE gemäss Cassis ihre Rolle aufgrund der russischen Aggression gegenwärtig kaum mehr wahrnehmen kann, scheint der UNO-Sicherheitsrat weiterhin zu funktionieren. Entsprechend blickt Cassis der Schweizer Mitgliedschaft im Sicherheitsrat für 2023 bis 2024 positiv entgegen. Er sieht dieses Mandat als Chance, Schweizer Stärken einzubringen und dabei einen wichtigen Beitrag dazu zu leisten, dass der Sicherheitsrat auch in Zeiten verstärkter geopolitischer Spannungen möglichst handlungsfähig bleibt.
Aktuelle Diskussion
Militärische Drohnennutzung: Erfahrungen, Technologie und Schweizer Optionen
In diesem Beitrag zum Bulletin 2022 widmen sich Constant Despont, Dominika Kunertova und Niklas Masuhr dem militärischen Einsatz von Drohnen, welche aus militärischen Operationen nicht mehr wegzudenken sind. Zugleich wäre es aber übertrieben, von einer durch Drohnen verursachten militärischen Revolution zu sprechen. Aufgrund des offensiven Potenzials steigender Autonomie der Systeme ist auf absehbare Zeit keine rein technologische Lösung zur Drohnenabwehr zu erwarten. Despont, Kunertova und Masuhr argumentieren dementsprechend mit Blick auf die Schweiz, dass Drohnen eine gesamtstaatliche Aufgabe sind und bleiben.
In diesem Teil des Bulletin setzen sich Amos Dossi und Sophie-Charlotte Fischer mit den möglichen Implikationen des Ukrainekriegs für schweizerische Kooperationsstrategien im Sicherheits- und Verteidigungsbereich auseinander. Während die Schweiz seit den Neunzigerjahren im Feld europäischer Innensicherheitspolitik ein engmaschiges und institutionell stark verankertes Netzwerk multilateraler Beziehungen geknüpft hat, beschränkte sie ihre verteidigungspolitische Zusammenarbeit auf die militärpolitische Arbeitsebene und setzte dabei primär auf bi- und minilaterale Formate. Dieses Modell funktionierte lange gut; die veränderte Sicherheitslage sowie Anpassungen seitens Partnerstaaten legen hier jedoch eine Weiterentwicklung und Diversifizierung nahe. Vor diesem Hintergrund und basierend auf sowohl CSS-internen Analysen als auch externen Expertenmeinungen skizzieren Dossi und Fischer konkrete Handlungsoptionen.
Prioritäten der Schweizer UNO-Sicherheitsrats-Mitgliedschaft
In diesem Beitrag beleuchtet Fabien Merz die mit den vier thematischen Schwerpunkten der Schweizer Sicherheitsrats-Mitgliedschaft für die Periode von 2023–2024 zusammenhängenden Möglichkeiten und Ambitionen. Merz zeigt auf, was die Schweiz in den Bereichen des Förderns des Nachhaltigen Friedens, des Schutzes der Zivilbevölkerung, der Klimasicherheit sowie der Effizienzsteigerung des Rats zu bieten hat. Er argumentiert, dass die Schweiz aufgrund ihres aussenpolitischen Profils gute Voraussetzungen hat, um in diesen Bereichen einen Mehrwert zu bieten und sich konstruktiv im Rat einbringen zu können. Die Schweiz wird beim Vorantreiben ihrer Prioritäten auch darauf achten müssen, lösungsorientiert mit anderen Ratsmitgliedern zusammenzuarbeiten sowie an bereits von anderen Mitgliedern Erreichtem anzuknüpfen.
Klimawandel und Friedensmediation: Die Natur in Verhandlungen einbeziehen
In diesem Beitrag setzen sich Simon J. A. Mason und Olivia Lazard mit den Querverbindungen zwischen der Friedensmediation und dem Klimaschutz auseinander. Die AutorInnen zeigen dabei nicht nur mögliche Synergien, sondern auch die Spannungsfelder auf, die bei der Berücksichtigung von Umweltbelangen bei Mediationsprozessen auftreten können. Ferner gehen sie darauf ein, welche Auswirkungen die Wechselwirkung zwischen diesen beiden Bereichen für die Schweizer Friedens- und Sicherheitspolitik haben. Die Schweiz könnte während ihrer Sicherheitsrats-Mitgliedschaft 2023–2024 die beiden thematischen Schwerpunkte der Förderung des nachhaltigen Friedens und dem Angehen der Klimasicherheit verbinden.
In diesem Beitrag betrachten Alexander Hug und Simon J. A. Mason die Rolle von Technologie bei der Beobachtung von Waffenstillständen. Die Erkenntnisse aus dem Kapitel basieren auf den Erfahrungen der 2014 begonnenen und nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im April 2022 beendeten Beobachtermission der OSZE in der Ukraine. Die Mission setzte Technologien wie Drohnen, Satellitenbilder und Sensoren ein und erhöhte und ergänzte so die Reichweite und Effizienz menschlicher Beobachterinnen und Beobachter. Technologie hat damit zur Beobachtung und Verifikation eines Waffenstillstands in Europas akutestem Konflikt beigetragen. Gemäss den Autoren darf sie aber nicht isoliert eingesetzt werden, beinhaltet Risiken, und ihre Einbettung erfordert geeignete Strukturen und Mittel. Deshalb erörtern Hug und Mason, welche Konsequenzen sich für Akteure wie die Schweiz oder andere OSZE-Staaten in Bezug auf Fachleute, Ausrüstung und Strukturen der Missionen ergeben.
Aus dem CSS
In diesem Teil des Bulletin 2022 zeigt Christine Eriksen auf, wie die jüngsten Arbeiten des Teams Risiko und Resilienz des CSS, insbesondere zwei Publikationen, dazu beigetragen haben, dass der Bundesrat 2021 die aktuelle Praxis der Waldbrandbekämpfung in der Schweiz überprüfen liess.
Optimierung des Schweizer Krisenmanagements
In diesem Beitrag zum Bulletin 2022 beschreibt Andrin Hauri, wie das CSS den Aktionsnachbereitungsprozess zum Krisenmanagement während der Coronavirus-Pandemie im Kanton Graubünden unterstützte.
Warum sich Staaten schwer tun, eine militärische Cyber-Truppe aufzubauen
Im letzten Beitrag zum Bulletin 2022 stellt Max Smeets sein vor Kurzem an der ETH präsentiertes Buch vor. No Shortcuts: Why States Struggle to Develop a Military Cyber Force zeigt die Gründe auf, warum viele Länder, die ein Cyberkommando oder ähnliche Strukturen eingerichtet haben, kaum in der Lage sind, eine effektive militärische Cyberstreitmacht aufzustellen.