Cybersicherheit im Weltraum verstehen
Der Cyberraum und der Weltraum haben viel gemein: Sie sind offen, gemeinschaftlich, expansiv, grenzüberschreitend und nicht greifbar. Durch seine Digitalisierung ist der Weltraum immer stärker mit dem Cyberraum verbunden. Diese domänenübergreifenden Verbindungen zu verstehen, ist entscheidend, um die Weltrauminfrastrukturen, von denen die Gesellschaft abhängt, besser zu schützen.
Am 24. Februar 2022 wurde das KA-SAT-Satellitennetzwerk von Viasat, das von den ukrainischen Streitkräften genutzt wurde, Stunden vor Beginn der Invasion der Ukraine Opfer einer externe Seite gezielten Cyberattacke. Der Angriff sollte in erster Linie verhindern, dass die Ukraine den Weltraum nutzt, um auf die Invasion zu reagieren. Allerdings kam es dadurch zu Auswirkungen in ganz Europa, von denen kritische Infrastrukturen auf dem gesamten Kontinent sowie Tausende ziviler Kunden betroffen waren. Diese Attacke zeigte die Anfälligkeit des Weltraums für Cyberbedrohungen.
Satelliten können genauso wie alle anderen digitalen Objekte gehackt werden. Da die meisten Menschen diese Technologie jedoch im Alltag kaum wahrnehmen, wird schnell übersehen, wie stark Gesellschaften von Satelliten abhängen. Sollte das GPS ausfallen, könnten die finanziellen Verluste allein in den USA rund 1 Milliarde USD pro Tag betragen. Ein Cyberangriff auf einen Satelliten kann zu Störungen auf den Finanzmärkten, im Strassenverkehr, bei Wettervorhersagen, Internetverbindungen und Stromnetzen, sowie bei der Luftsicherung und militärischen Operationen führen.
Die Bedrohung an sich ist nicht neu, doch aufgrund der Digitalisierung von Weltraumsystemen und des Weltraumsektors insgesamt haben die Risiken zugenommen. Satelliten sind heute häufig mit Softwarekomponenten ausgestattet, die mit dem Internet verbunden sind. Zusätzlich setzen die meisten Prozesse bei der Planung, der Herstellung, Tests, dem Start und dem Betrieb der Satelliten auf digitale Technologien. So wurde beispielsweise vor Kurzem die erste Bluetooth-Verbindung zu einem Satelliten in mehr als 600 Kilometern Entfernung hergestellt. Man kann Satelliten daher als teure Computer ansehen, die im Orbit fliegen und wie jedes andere verbundene Gerät auch gehackt werden können. Dadurch hat sich die Angriffsfläche vergrössert. Dies betrifft alle Eingangspunkte, die Angreifer nutzen können, um einen Satelliten zu stören, beschädigen, deaktivieren, oder die Kontrolle über einen Satelliten zu übernehmen.
Die naturgemäss widrigen Bedingungen im Weltraum (z.B. die grosse Entfernung von der Erde, kosmische Strahlen, extreme Temperaturen, radioaktive Strahlung) bringt eine Reihe politischer, rechtlicher, technischer und kommerzieller Herausforderungen in einem Bereich mit sich, der Cyberbedrohungen lange Zeit keine Beachtung geschenkt hat. Darüber hinaus beschränkt sich die Cybersicherheit von Weltraumsystemen nicht auf die Satelliten in der Umlaufbahn: Sie umfasst auch Lieferketten, die Benutzer- sowie die Boden- und Weltraumsegmente während des gesamtenProduktzykluses. Das macht das Cybersicherheitsproblem im Weltraum sehr komplex.
Diese Analyse betrachtet die Entwicklung des Telekommunikationssektors, die Veränderung der Bedrohungslandschaft im Weltraum sowie die politischen, regulatorischen und kommerziellen Probleme, die diese Entwicklungen mit sich bringen. Abschliessend gibt dieser Artikel einen Ausblick darauf, wie die Schweiz versuchen kann, diese Vulnerabilitäten zu beseitigen.
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Die Autorin:
Clémence Poirier ist Senior Researcher im Projekt Cyberdefense innerhalb des Risk and Resilience Teams am Center for Security Studies (CSS) der ETH Zürich.